Das Land Berlin hat vor nunmehr 10 Jahren eine mobile Anlaufstelle für europäische Wanderarbeiter*innen und Roma ins Leben gerufen. Nachdem die ost- und südosteuropäischen Länder Polen (2004), Rumänien und Bulgarien (beide 2007) der EU beigetreten waren, stiegen auch in Berlin die Zahlen der Zuwandernden aus diesen Ländern. Die verheerenden Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 in diesen Ländern, aber auch lokale Pogrome und allgemein grassierender Hass auf Angehörige der Roma-Minderheit waren und sind die Hauptursachen dieser Migration.
In den Ankunftsquartieren Berlins und anderer deutscher Städte kumulierten die Folgen von Armut, prekärer Beschäftigung, Bildungsbenachteiligung und vielfältiger Zugangsbarrieren; erste Bezirke machten auf die Begleiterscheinungen der Zuwanderung aufmerksam, während gleichzeitig Versuche unternommen wurden, Familien ohne Bleibeperspektive eine Rückkehr in die Herkunftsländer zu ermöglichen. Schnell wurde klar: Die Menschen werden bleiben.
2012 verabschiedete das Berliner Abgeordnetenhaus ein Strategiepapier zur Einbeziehung ausländischer Roma. Daraus entstand im Folgejahr unter Beteiligung von Haupt- und Bezirksverwaltungen ein Aktionsplan. Damit sollen die mit der neuen Zuwanderung verbundenen Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen und Integration adressiert werden. Neben o.g. mobiler Anlaufstelle wurden zahlreiche weitere Maßnahmen in diesem Aktionsplan vereinbart, die seither von einer großen Vielfalt von Berliner Trägern der Bildungs-, Integrations- und Community-Arbeit umgesetzt werden.
Die Umsetzung des Aktionsplans erfolgt in enger Abstimmung zwischen Verwaltung und Trägern; eine zwei Mal jährlich tagende Lenkungsgruppe, bestehend aus Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, begleitet und koordiniert die Umsetzung der Maßnahmen. Dabei zeigte sich in den letzten Jahren, dass in verschiedener Hinsicht Bedarf besteht, den Aktionsplan und seine Instrumente weiterzuentwickeln. Dies hat die Berliner Regierung deshalb in ihrem Koalitionsvertrag von 2016 vereinbart.
Die Lenkungsgruppe hat daraufhin eine Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Aktionsplans eingerichtet, die 2017 erste Empfehlungen diskutiert und den beteiligten Haupt- und Bezirksverwaltungen, sowie der Lenkungsgruppe übermittelt hat.
Parallel dazu hat Minor Wissenschaft Gesellschaft mbH den Aktionsplan in den Jahren 2018/19 umfassend evaluiert. Die Evaluation wurde als ein interaktiver und intensiver Dialogprozess zwischen den Trägern der Maßnahmen aus dem Aktionsplan, Roma-Organisationen, Roma-Aktivist*innen und Verwaltung konzipiert und durchgeführt. Legitimität und Validität der Evaluationsergebnisse entstanden durch die Beteiligung von und proaktive Kooperation mit allen Akteuren, insbesondere von Roma-Organisationen und weiteren Menschen, die sich als Roma verstehen, aber auch durch die Einbindung der am Aktionsplan beteiligten Projektträger, der Haupt- und Bezirksverwaltungen und von Wissenschaftler*innen. Diese Evaluation schloss mit umfangreichen Handlungsempfehlungen ab, die aus dem Dialogprozess entstanden sind. Die Publikationen und der Abschlussbericht der Evaluation sind hier abrufbar.
Der in den Jahren 2018 und 2019 entstandene partizipative Dialog von Trägern, Roma-Organisationen, Roma-Aktivist*innen und Verwaltung während der Evaluation wird nun in einem moderierten begleitenden Programmdialog ab 2020 fortgeführt. Dieser wird den Weiterentwicklungsprozess des Aktionsplans, durch den er in ein Landesrahmenprogramm überführt wird, unterstützen und begleiten. Auch weitere Entwicklungen im Handlungsfeld, so die Bildung des künftigen Roma- und Sinti- Beirats, nationale und europäische Prozesse, Veränderungen in der Förderlandschaft, wissenschaftliche Erkenntnisse und gute Praxis in anderen Städten werden berücksichtigt und aktiv in den Dialogprozess aufgenommen.
Auf dem Weg zum Landesrahmenprogramm sind besonders zwei Aspekte wichtig: Die Verankerung von Strategien gegen Antiziganismus und die Umwandlung des zielgruppenspezifischen Ansatzes in einen bedarfsorientierten, zielgruppenübergreifenden Ansatz.
Relevante – und in der bisherigen Geschichte des Aktionsplans neue – Akteure sind dabei der Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen, sowie der derzeit entstehende Berliner Roma- und Sinti-Beirat, der die Interessen autochthoner und zugewanderter Roma in Berlin vertritt.