Wertstatt

Mobiles Repair Café für den öffentlichen Raum

Mit der „Wertstatt“ wird ein ehrenamtlich geführtes und mobiles Repair Café gegründet, das einen regelmäßigen und leicht zugänglichen Begegnungsraum für die diverse Bewohnerschaft des Märkischen Viertels darstellt. Hier sollen Besucher:innen ins Gespräch über ihre Anliegen kommen und sich rund um das Thema Nachhaltigkeit weiterbilden.

Projektidee und Ziele

Im Projekt „Wertstatt“ soll eine selbstorganisierte, stabile Ehrenamtsgruppe, bestehend aus Reparaturinteressierten und -begeisterten, aufgebaut werden, um gemeinsam ein mobiles Repair Café in Form eines Fahrradanhängers zu bauen und im Viertel an verschiedenen Orten zu betreiben.

Das mobile Repair Café soll regelmäßig im Quartier unterwegs sein und einen offenen Begegnungsraum bilden, wo sich Bewohner:innen des Viertels treffen, gemeinsam kaputte Dinge reparieren und sich über gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit oder ein Recht auf Reparatur austauschen können. Dabei werden verschiedene Standorte ausprobiert, öffentliche Räume angeeignet genutzt und Teilnehmer:innen durch praktisches Reparieren und inhaltlichen Austausch für Themen rund um Nachhaltigkeit sensibilisiert.

Die Ehrenamtsgruppe wird von der Projektleitung in Richtung Selbstorganisation begleitet. Die Gruppe soll ihre Entscheidungen demokratisch treffen und Selbstwirksamkeit erfahren, indem sie ihre persönliche Expertise einbringen und Sichtbarkeit in der Nachbarschaft erfahren.

Der regelmäßige Cafébetrieb wird ergänzt durch Aktionen im öffentlichen Raum, Besuche bei anderen Einrichtungen und Veranstaltungen im Quartier sowie Austausch mit anderen Reparatur-Initiativen in Berlin und darüber hinaus.

Projektumsetzung

In den ersten Monaten gelingt es, eine vierköpfige Gruppe zu gewinnen, die sich in mehreren Vorbereitungstreffen kennenlernen und die Umsetzung des mobilen Repair Cafés sowie den Bau des Fahrradanhängers planen.

Die Personen werden über verschiedene Kanäle erreicht:

  • über eine aktivierende Befragung im Rahmen der Mobilen Stadtteilarbeit,
  • über bestehende Kontakte zu Bewohner:innen und
  • über digitale Werbung, vor allem über Ebay Kleinanzeigen.

Über die ersten Reparaturcafés im öffentlichen Raum wird die Gruppe erstmals präsent, dadurch stößt eine weitere Person zur Gruppe dazu. In der Gruppe herrscht ein vertrauensvoller Umgang, Entscheidungen werden konsensual getroffen. Alle können ihre jeweilige Expertise einbringen, wobei gleichzeitig ein gemeinsames Wissen über den Aufbau von Reparatur-Cafés entsteht. Aufgaben wie Recherchen zu einzelnen Fragen (Versicherungsschutz, Stromsicherung, Elektro-Sicherheits-Prüfungen) oder Werbung (Erstellen und Verteilen von Flyern und Plakaten) werden verteilt und wieder mit der Gruppe geteilt und besprochen.

Die ersten Repair Cafés finden improvisiert mit einem Tapeziertisch auf einem Wochenmarkt statt. Später zieht die Gruppe mit dem im Rahmen eines Bauworkshops fertiggestellten Fahrradanhänger in einen interkulturellen Nachbarschaftsgarten und versucht dort anzudocken. Im Herbst zieht die Gruppe in einen festen Standort in einem Nachbarschaftstreff. Zehn Reparatur Cafés finden im Projektzeitraum statt; es kommen zu allen Cafés einige Besucher:innen und Dinge werden repariert. Dabei entstehen informelle Gespräche, z.B. über Reparaturen, Wegwerf- und Konsumgesellschaft oder über das Märkische Viertel. Während der Cafés tauscht sich die Gruppe organisatorisch und inhaltlich miteinander aus, entwickelt Ideen, reflektiert ihr Angebot und entscheidet, wie es weitergehen soll. So werden auch schriftliche Diskussionsimpulse zu den Themen Nachhaltigkeit, Recht auf Reparatur, Upcycling, Elektroschrott und Geplante Obsoleszenz entwickelt, die Anlass bieten, um informelle politische Diskussionen zu führen.

Zusätzlich zum Angebot des Cafés besucht die Gruppe mit dem Anhänger ein migrantisches Nachbarschaftscafé, das Sommerfest der örtlichen Gemeinschaftsunterkunft und zwei Quartiersfeste sowie führt eine selbstorganisierte Fahrradreparaturaktion durch. Dafür werden alte Fahrräder aus Kellern der GESOBAU gerettet. Besucher:innen können sich kostenfrei unter Begleitung aus mehreren Rädern funktionstüchtige Räder zusammenbauen. Die Aktion wird sehr gut besucht und erregt große Aufmerksamkeit für das Repair Café. Außerdem findet mehrfach ein Austausch mit anderen Reparatur Cafés statt und die Wertstatt wird Teil eines bundesweiten Netzwerks an Reparaturinitiativen.

Das Repair Café besteht weiter. Es hat einen festen Ort gefunden und wird mindestens ein weiteres Jahr begleitet.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Die kontinuierliche Verfolgung vielfältiger Ansprachewege von direkter, persönlicher, regelmäßiger Ansprache im öffentlichen Raum, über Nutzung bestehender Strukturen und Netzwerke zur Multiplikation, sichtbare und öffentlichkeitswirksame Aktionen bis hin zur Nutzung digitaler Medien hat sich als erfolgreich herausgestellt. Hervorzuheben ist die selbstorganisierte Fahrradreparaturaktion, die ein besonderes Interesse unter den Bewohner:innen hervorgerufen hat.

Eine interessante Erkenntnis des Projektes ist es, dass – obwohl es sich um ein attraktives mobiles Angebot handelt – eine regelmäßige Präsenz an einem festen Ort, vielversprechender ist als häufige Ortswechsel. Für eine bessere Bekanntmachung ist es aber sinnvoll, das reguläre Café durch zusätzliche Aktionen und die Teilnahme an Veranstaltungen bzw. Besuche anderer Einrichtungen zu ergänzen.

Die Ehrenamtlichen identifizieren sich mit ihrer freiwilligen Arbeit und haben ein gemeinsames Ziel. So entsteht eine stabile Kerngruppe, die das Potenzial bietet, dass die Mitglieder sich gemeinsam organisieren und eine demokratische Gruppenkultur etablieren. Dazu gehört, die Bedürfnisse der anderen Mitstreiter:innen zu reflektieren, auf Augenhöhe zu kommunizieren und Kompromisse zu finden. Praktische Aufgaben wie die Organisation von Veranstaltungen und Aktionen, Recherchen und Öffentlichkeitsarbeit bieten dafür einen Anlass.

Es ist im Projekt gelungen, das Reparieren von Alltagsgegenständen mit gesellschaftlichen Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit zu verbinden. Die erstellten Diskussionsimpulse (Hinweis oder grafische Verbindung zu Abbildung 4) haben Interesse wecken können und es sind informelle politische Diskussionen entstanden. Allerdings ist es eine Herausforderung diese informellen Gespräche in einen strukturierten Bildungskontext zu überführen. Daher stellt sich die Frage, inwiefern diese informellen Gespräche Ansprüchen politischer Bildungsarbeit gerecht werden.

Durch den Austausch mit anderen Initiativen konnte die Wertstatt an ein bundesweites Netzwerk angebunden werden. Dies bietet die Möglichkeit zur Teilnahme an Veranstaltungen zum Thema sowie zu politischen Organisation.

Modellquartier:

Märkisches Viertel, Berlin

Projektträger:

Albatros gGmbH

Projektlaufzeit:

01.01.2022 – 30.09.2022

Radioreparatur beim Repair Café im Gemeinschaftsgarten
Sammlung alter Fahrräder für die Reparaturaktion
Fast fertiger Reparaturanhänger

Die Partizipationsprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.