Was ist politisch im Quartier?

Workshop zum Politikverständnis und zur kritischen Diskussion von Politikdistanz

Der Begriff Politik wird im alltäglichen Sprachgebrauch unterschiedlich verstanden. Eine selbst erklärte „unpolitische“ Einstellung ist allgemein weit verbreitet, die z. B. durch folgende, häufig zu hörende Aussage untermauert wird: „Für Politik interessiere ich mich nicht.“ Je nachdem, was unter Politik verstanden wird, gibt es dafür Interesse oder Skepsis.  Am 14. Juni 2022 kommen Interessierte aus den Partizipationsprojekten online zusammen, um verschiedene Aspekte von Politik im Quartier zu diskutieren.

Enges vs. weites Politikverständnis

Viele Menschen, die sich als unpolitisch bezeichnen oder sich für Politik nicht interessieren, besitzen ein enges Politikverständnis. Mit Politik meinen sie vor allem die institutionalisierte Politik – also z. B. Wahlen, die Regierung, Parteien oder staatliches Handeln. Ein solches Verständnis von Politik wird teilweise in der Schule vermittelt. Was Politik mit dem eigenen Leben zu tun hat, bleibt vielen dabei unklar.

Das weite Politikverständnis erweitert das enge Verständnis um die politische Dimension des Sozialen. Es bezieht also die Biografien und Lebenswelten der Menschen mit ein. In diesem Verständnis wird das Politische in alltäglichen Kontexten verortet wie z. B. in der Familie, bei der Arbeit oder in sonstigen informellen Zusammenhängen. So geraten alltagsrelevante Themen wie soziale Ungleichheit, Armut, Gestaltung des Lebensumfeldes, Geschlechterverhältnisse oder Nachhaltigkeit in den Blick, ohne dass diese unbedingt im Zusammenhang mit formaler Politik stehen müssen.

Politikdistanz

In wissenschaftlichen Abhandlungen über benachteiligte Quartiere wird den Bewohner:innen oftmals Politikverdrossenheit oder Politikdistanz unterstellt. Begründet werden diese Argumente z. B. mit niedrigen Wahlbeteiligungen, die nahelegen würden, dass die Quartiersbewohner:innen an politischer Partizipation kein Interesse hätten. Dieser Perspektive liegt allerdings ein enges Politikverständnis zugrunde. Andere Untersuchungen und Erfahrungsberichte aus der Praxis sprechen dafür, dass zwar Desinteresse bis hin zu Misstrauen gegenüber der etablierten Politik im Quartier weit verbreitet sind, aber die Bewohner:innen der Quartiere durchaus politische Meinungen und Interessen vertreten und den Wunsch haben, entsprechend politisch zu handeln. Allerdings erhalten sie im Rahmen der etablierten Politik nicht die Gelegenheit zur Partizipation. Thomas Stange, ein aufsuchender politischer Bildner mit Arbeitsschwerpunkt in Berlin-Hohenschönhausen, beschreibt diese Distanz als „Politiker:innendistanz“ anstatt von Politikdistanz zu sprechen. Neuere Debatten in der politischen Bildung sprechen diesbezüglich auch von einer doppelten Politikdistanz.

Doppelte Politikdistanz

Menschen aus benachteiligten Quartieren finden häufig keine lebensweltlichen Anknüpfungspunkte zur etablierten Politik und schließen sich selbst aus der politischen Sphäre aus. Die etablierte Politik wird als fremd wahrgenommen, in der eigene Themen, Interessen und Praxisformen keinen Platz haben. Diese Fremdheit lässt sich aber auch in entgegengesetzter Richtung beobachten. Politische Entscheidungsträger:innen haben oftmals keinen Blick für die Bedürfnisse und Interessen der Menschen aus benachteiligten Quartieren. Die Unterschiedlichkeit der Lebenswelten und des Habitus vergrößern die Distanz und erschweren die Verständigung.

Möglichkeiten von politischer Bildung

Durch Angebote der politischen Bildung kann die Distanz zwischen etablierter Politik und den Bewohner:innen benachteiligter Quartiere abgebaut werden. Durch Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit lässt sich Verständnis für politische Prozesse und Partizipation bei den Bewohner:innen erzeugen. Gleichzeitig kann Verständnis und Empathie für das Leben in den abgehängten Quartieren bei den politischen Entscheidungsträger:innen geschaffen werden. Konkret kann dies durch Begegnungsveranstaltungen zwischen Bewohner:innen und Politiker:innen passieren, wenn solche Treffen positiv erlebt werden. Die Voraussetzung dafür ist eine offene Haltung, die eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht. Die Auswahl der eingeladenen Politiker:innen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Weiterhin sollten politische Strukturen sichtbar und zugänglich gemacht werden. Die Hürden zur politischen Beteiligung sollten gesenkt und Mitbestimmungsstrukturen näher am Alltag der Menschen ausgerichtet werden.

Datum:

14.06.2022

Kontakt:

Maëlle Dubois
m.dubois@minor-wissenschaft.de

 

Mit Padlet erstellt

 

 

Mit Padlet erstellt

 

Diese Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier statt.

Das Projekt wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.