Projekt 24149

Den Möglichkeitsraum in Neumühlen-Dietrichsdorf als demokratischen Ort öffnen

Die jugendlichen Nutzer*innen des Geländes einer Jugendfreizeitstätte in Neumühlen-Dietrichsdorf gestalten im Dialog mit der Nachbarschaft den Außenbereich ihres Geländes um und setzen sich dabei mit Fragen von Mitbestimmung, Teilhabebarrieren und demokratischen Entscheidungsprozessen auseinander.

Projektidee und Ziele

Die Jugendfreizeitstätte „Möglichkeitsraum“ wird überwiegend von Jugendlichen mit Migrationshintergrund genutzt. In der Vergangenheit gab es Spannungen mit Anwohner*innen, die sich diskriminierend äußerten. Zudem wird das Außengelände oft als unsicher empfunden. Ziel des Projektes ist es, das Gelände durch eine partizipative Umgestaltung als Begegnungsort für die Nachbarschaft zu öffnen, Vorurteile abzubauen und das Gemeinschaftsgefühl vor Ort zu stärken. Dadurch soll auch Interessenaushandlung und demokratische Entscheidungsfindung gefördert und geübt werden.

Projektumsetzung

Auf den Hausversammlungen erarbeiten Jugendliche gemeinsame Ziele für die Schritte des Umgestaltungsprozesses. Zur Einholung diverser Perspektiven wird eine Anwohner*innenbefragung durch die Jugendlichen durchgeführt. Mit Hilfe der Auswertung der Befragung sowie eines Gesprächskreises wird in einem demokratischen Prozess die Ausgestaltung der Außenanlage beschlossen. Auf der Abschlussveranstaltung wird der bisherige Prozess reflektiert und über die zukünftige Nutzung gesprochen.

Bestandsaufnahme

In den ersten Hausversammlungen zeigt sich großes Interesse bei vielen Jugendlichen. Sie bringen konkrete Umbauideen ein, begleitet von dem Wunsch, den Möglichkeitsraum stärker in den Stadtteil zu öffnen und nicht als Störfaktor wahrgenommen zu werden. Übungen zur Verbindung von Alltagsthemen mit politischen Themen und Prozessen fördern das Verständnis der Jugendlichen für die Rolle von Beteiligung und Interessensvertretung im Stadtteil. Durch andere Methoden wird ein Grundverständnis von Akteuren und Angeboten im Stadtteil geschaffen. Auf Grundlage von Plakaten, auf denen die Jugendlichen ihre Wünsche zum gemeinsamen Miteinander festhalten, wird diskutiert, inwiefern Interessen anderer Bewohner*innen und Stadtteilakteure bei der Umplanung des Raums der Jugendlichen berücksichtigt werden sollten und können. Die Jugendlichen beschließen eine öffentliche Befragung durchzuführen, um andere Bewohner*innen in den Gestaltungsprozess miteinzubeziehen.

Befragung der Nachbarschaft

In offenen digitalen und analogen Hausversammlungsformaten bereiten die Jugendlichen die Befragung vor. Sie beschließen, neben öffentlichen Plätzen auch Einrichtungen im unmittelbaren Umfeld des Möglichkeitsraumes wie die Schule und eine soziale Einrichtung einzubeziehen. Die Ansprache der Befragungsorte erfolgt durch die Jugendlichen selbst. Die drei Befragungen finden auf einem großen Parkplatz vor diversen Einkaufsgeschäften und in einer sozialen Einrichtung statt. Hierbei werden neben Passant*innen auch eine Gruppe alkoholabhängiger Menschen angesprochen, welche sich regelmäßig auf der Fläche vor dem Supermarkt aufhalten. Eigenständig führen die Jugendlichen die Befragungen auch mehrsprachig durch. Die Befragungen werden anschließend ausgewertet.

Gesprächskreis

In der Befragungsauswertung zeigen sich zentrale Themen wie Sitzgelegenheiten, Sportgeräte, Beleuchtung, WLAN und Überdachung. Zu den ausgewählten Themen wird ein Gesprächskreis im World-Café-Format organisiert, zu dem Akteure aus dem Stadtteil eingeladen werden, um verschiedene Interessen in Dialog miteinander zu bringen. Da am Veranstaltungstag die Beteiligung durch Akteure ausbleibt, wird eine Art Planungsspiel mit Rollenverteilung durchgeführt und die verschiedenen Perspektiven auf die Themen aus diversen Akteursperspektiven beleuchtet. Die Themen werden in Zusammenhang mit den ebenfalls angegebenen Gefühlen wie Unsicherheit gesetzt und danach bewertet, ob die Personen den Platz auch nutzen (werden). Zum Schluss werden die konkreten Umbaumaßnahmen beschlossen.

Abschlussrunde

Zum Abschluss wird der gemeinsame Prozess anhand eines Zeitstrahls reflektiert und der Entscheidungsfindungsprozess besprochen. Die Jugendlichen betonen die Komplexität von Partizipationsprozessen und reflektieren, wie in Zukunft mit Herausforderungen, wie der fehlenden Rückmeldung von Akteuren umgegangen werden könnte. Zudem diskutieren sie, wie der Möglichkeitsraum weiterhin als Ort für Austausch und Partizipationsprozess genutzt werden kann und bekunden weiteres Interesse an politischen Bildungsprozessen.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Vor allem zu Anfang des Prozesses bedarf es kontinuierlicher Treffen, um tragfähige Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen und Verbindlichkeiten zu schaffen. Längere Pausen im Prozess erschweren die Arbeit mit einer konstanten Gruppe. Eine engere zeitliche Planung kann den Projektverlauf nachvollziehbarer machen und die Motivation der Teilnehmenden aufrechterhalten. Hierbei sind jedoch Flexibilität und eine laufende Anpassung an die Bedürfnisse der Jugendlichen entscheidend. Onlineveranstaltungen funktionieren im Projekt beispielsweise sehr gut für ältere Jugendliche, nicht aber für jüngere.

Die Jugendlichen wurden durch den Prozess und die Reflexion gestärkt, ihre eigenen Anliegen aktiv einzubringen und sich für ihre Interessen einzusetzen. Der Prozess hat zudem die Verantwortungsübernahme und die Auseinandersetzung mit demokratischen Entscheidungsprozessen gefördert. Besonders die Befragung und die Ansprache fremder Personen, um über ein Thema zu sprechen und die eigenen Anliegen vorzubringen war ein positives Erlebnis für die Jugendlichen.

Eingeladene Institutionen wie die Schulleitung und das Statteilentwicklungsbüros nahmen nicht an den Formaten zum Perspektivenaustausch über die Neugestaltung des Jugendclubgeländes teil. Dies führte zu Frustration bei den Jugendlichen. Als sie gebeten werden, trotzdem diese anderen Perspektiven in ihre Entscheidungen miteinzubeziehen, prangern sie an, die Arbeit von anderen Personen an ihrer Stelle zu erledigen.

Barriere- und Diskriminierungsfreiheit waren häufige Diskussionsthemen bei der Planung der Umgestaltungsmaßnahmen. Hierarchische Dynamiken innerhalb der Gruppe aufgrund von Altersunterschieden wurden durch gemischte Gruppenarbeiten aufgebrochen, sodass alle sich an Gruppenabstimmungsprozessen beteiligten. Diese Reflexion hatte trotzdem blinde Flecken: Die Gruppe bestand fast ausschließlich aus männlich gelesenen Jugendlichen, obwohl das Klientel des Jugendclubs diverser ist. Diese fehlende Perspektive wurde weder bei der Entscheidung zur Ausrüstung des Sportplatzes mit Fußballtoren thematisiert, noch wurde reflektiert, wie weibliche Jugendliche in den Partizipationsprozess eingebunden werden könnten.

Modellquartier:

Neumühlen-Dietrichsdorf, Kiel

Projektträger:

AWO Kreisverband Kiel e.V.

Projektlaufzeit:

01.09.2023 – 30.06.2024

Projekttreffen im mobilen Bus
Container auf dem Gelände des Möglichkeitsraums
Gesprächskreise zu Umgestaltungsmaßnahmen
Reflexion des Umgestaltungsprozesses

Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.