Praxisforum III Aufsuchende politische Bildung im Quartier

Auftrag, Ansätze und Wirksamkeit politischer Bildung im Quartier

Im dritten Praxisforum werden zentrale theoretischen Grundlagen der aufsuchenden politischen Bildung mit einem Blick aus der Praxis beleuchtet und mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der sozialen Quartiersentwicklung, der Kommunalverwaltung, der Wohnungswirtschaft und der politischen Bildung diskutiert.

Politische Bildung hat die Stärkung von Mündigkeit und Partizipation von Bürger*innen zum Auftrag. Ausgangspunkt der aufsuchenden politischen Bildung ist, dass Menschen, die von politischen Prozessen ausgeschlossen sind und deswegen am meisten von Angeboten der politischen Bildung profitieren könnten, häufig nicht erreicht werden. Ein Zugang zu diesen Menschen kann über Akteur*innen und Organisationen, die in Quartieren etabliert sind, erfolgen. Es ist vielversprechend, dass die Quartiers- und Gemeinwesenarbeit ihre Angebote um Ansätze der politischen Bildung erweitern und sie in ihre soziale Arbeit integrieren. Dennoch  werden auch von den lokalen Akteur:innen viele Bewohner*innen im Quartier bisher nicht erreicht. Deswegen ist es sinnvoll, auch neue Wege der Ansprache und Aktivierung auszuprobieren. Praxiserkenntnisse aus PartQ zeigen, dass eine Ansprache im öffentlichen Raum sowie die Nutzung vielfältiger und kreativer Ansprachewege, z.B. über soziale Medien oder die Anknüpfung an bestehende Netzwerke und die Nutzung von Brückenpersonen durchaus effektiv sein können. Voraussetzung dafür ist, dass die angesprochenen Personen in den Fokus gerückt werden und nicht das Angebot.

Die Angebote selbst sollten stark auf die Teilnehmer*innen zugeschnitten werden um attraktiv zu sein. Anstatt die Zielgruppe des Angebots durch soziodemografische Merkmale zu definieren, was die Gefahr birgt, Vorurteile zu bekräftigen, können Bewohner*innen über ihre Hobbies, Interessen und selbstgeäußerten Bedarfe abgeholt werden. Auch die Themen, mit denen sich die Teilnehmenden im Rahmen des Angebots auseinandersetzen werden, sollen von den Bewohner*innen definiert werden. Dies erfordert Flexibilität und Offenheit für das Format des Angebots, um sich auch an unerwartete Themensetzungen anzupassen. Frontale Wissensvermittlung sollte im Rahmen des Angebots höchstens in kleinen Dosen stattfinden. Stattdessen ist es sinnvoll auf dialogische und partizipative Angebote zu setzen, die zudem prozesshaft and langfristig angesetzt sind, da Vertrauen und Beziehungsarbeit bei aufsuchender politischer Bildung als Gelingensbedingungen gelten. Es erweist sich zudem als zielführend, wenn die Projektleitung eine moderierende und fragende Rolle einnimmt.

Von dieser partizipativen Grundhaltung ausgehend hat aufsuchende politische Bildung das Ziel, die „Entfremdung“ zwischen Politik und Bewohner*innen zu bearbeiten. Dieser Anforderung gerecht zu werden, erfordert jedoch erstmal eine Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Politikverständnis. Denn wird von einem breiten Politikverständnis ausgegangen, das nicht nur die Themen der institutionellen Politik (Wahlen, Gesetze, Regierungsentscheidungen, etc.) in den Blick nimmt, dann kann die viel beschriebene Entfremdung nicht bestätigt werden. Wenn Politik als ein Prozess der Aushandlung von Interessen begriffen wird, der potenziell in allen Bereichen existiert und informelle politische Diskurse einbezieht, dann sind Quartiersbewohner*innen immer auch politische Akteur*innen, auch wenn sie sich selbst nicht als solche verstehen. Um diese Wahrnehmung zu stärken, ist es erforderlich, den Bewohner*innen zuzutrauen, sich an politischen Prozessen zu beteiligen. Der Fokus sollte daher auf die Stärkung ihrer politischen Mündigkeit durch inklusive und niedrigschwellige Angebote gelegt werden.

Klar wird dadurch, dass es keine „Politikverdrossenheit“ von sozial benachteiligten Bürger*innen gibt, sondern eine doppelte Politikdistanz, die auch eine Veränderung der institutionellen Politik notwendig macht. Hinsichtlich der Stadtverwaltungen wird die Akzeptanz für Belange der Bewohner*innen bemängelt. Verwaltungsstrukturen stellen sich erst allmählich auf die zunehmenden Partizipationsbedarfe ein und schaffen die nötigen Kapazitäten für demokratische Beteiligungsprozesse. Sie sind dabei auch vom politischen Willen der kommunalen Regierung abhängig. Stimmen aus der Wohnungswirtschaft führen die schwierige Umsetzung von Partizipation und Mitspracherechten an. Ressourcenstarke Akteur:innen der Lokalpolitik und der Wohnungswirtschaft sollten in diesem Zusammenhang stärker aufgefordert werden, Bewohner*innen in Entscheidungen einzubinden. Denkbar seien beispielsweise Qualifikationsmodule für Mitarbeiter*innen, um sie zu ermutigen und in die Lage zu versetzen, Barrieren abzubauen und demokratische Partizipationsprozessen zu gestalten.

Datum:

30.08.2022

Kontakt:

Maëlle Dubois
m.dubois@minor-wissenschaft.de

Präsentation:

„Aufsuchende politische Bildung: Schlaglichter aus PartQ zwischen Theorie und Praxis“

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Diese Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier statt.

Das Projekt wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.