Kiezcollagen

Photovoice im Fritz-Heckert-Gebiet

In einem Jugendclub im Chemnitzer Fritz-Heckert-Gebiet entdecken Jugendliche durch die Kameralinse ihren Kiez neu. Im Rahmen eines dreitägigen Workshops und mehrerer Treffen konzipieren sie eine Ausstellung, bei der sie die Themen, die sie in ihrem Stadtteil beschäftigen, formulieren und präsentieren.

Projektidee und Ziele

Das Projekt nutzt die Photovoice-Methode, um gemeinsam mit den Jugendlichen ihre Umgebung aus neuen Perspektiven zu erkunden und anhand von Fotos und gemeinsamer Reflexion politische Themen sichtbar zu machen. Ziel des Projektes ist es, den Jugendlichen einen geschützten Raum zu bieten, in dem sie ihre Meinungen äußern und sich austauschen können. Sie sollen als Expert*innen für ihre Lebenswelt und Bedürfnisse auftreten und ihre Interessen im Stadtteil öffentlich sichtbar machen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen in einer öffentlichen und digitalen Ausstellung nach außen kommuniziert werden.

Projektumsetzung

Die AGJF baut Kontakt zum Jugendclubleiter des Jugendclubs UK im Stadtteil Kappel (Teil des Fritz-Heckert-Gebiets) auf und spricht auf vielfältige Weise Jugendliche an. Während der Winterferien wird ein dreitägiger Workshop durchgeführt. Im Anschluss entscheiden die Jugendlichen, wie sie ihre Ausstellung gestalten und bewerben möchten. Vor den Sommerferien findet die Eröffnung im Jugendclub sowie auf einer digitalen Plattform statt. Die Ausstellung wird auch an ein Stadtteilfest ausgeliehen.

Ansprache

Der Photovoice-Workshop wird mit einem Flyer und Poster im Jugendclub beworben. Die Ansprache der Jugendlichen gestaltet sich anfangs schwer, es gibt bis zum Schluss keine Anmeldungen über die Projektwebseite. Auch aus der nahegelegenen Schule und der Mobilen Jugendarbeit gibt es keine Rückmeldungen. Nach Rücksprache mit dem Jugendclubleiter wird beschlossen, am Workshoptag vor Ort zu sein und mit denen zu arbeiten, die vor Ort sind und spontan Lust haben, am dreitägigen Workshop teilzunehmen. So lassen sich durch ungezwungene Gespräche am Workshoptag acht Jugendliche für den Workshop gewinnen.

Perspektiven aufs Quartier erkunden

Gemeinsam mit einer Medienpädagogin und dem Jugendclubleiter findet am ersten Tag des Workshops ein Stadtteilspaziergang statt. Mit Hilfe von Sofortbildkameras erkunden die Jugendlichen ihre Umgebung. Die ersten Aufgaben zielen darauf ab, die eigene Umgebung aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen und die Jugendlichen ins Gespräch über Orte im Stadtteil zu bringen. Die Stationen des Stadtteilspazierganges umfassen soziale Einrichtungen, die Begehung normalerweise für die Öffentlichkeit gesperrter Gebäude und Kunstwerke im öffentlichen Raum. Während der Begehung erzählen die Jugendlichen, wie sie die Orte nutzen und diskutieren über mögliche zukünftige Nutzung von Orten. Auch der Stadtteilmanager schließt sich der Runde an und berichtet von seiner Arbeit. Am zweiten Tag ziehen die Jugendlichen selbstständig los und fotografieren Orte des Heckert-Gebiets, mit denen sie positive oder negative Erfahrungen verbinden, die für sie typisch für den Stadtteil sind oder an die sie konkrete Veränderungswünsche haben. Diese Fragestellungen ermöglichen es den Jugendlichen, sich mit ihren Bedarfen und Wünschen zu ihrer unmittelbaren Umgebung zu befassen. Am dritten Tag werden die Fotomotive diskutiert, in Kleingruppen Texte zu den Fotos verfasst und abschließend die Ausstellung konzipiert, um ihre Anliegen zu diskutieren und nach außen zu präsentieren.

Ausstellung der Ergebnisse

Die Ausstellung wird im Jugendclub eröffnet und digital veröffentlicht. Durch Postkartenaktionen und persönliche Einladungen per Post laden die Jugendlichen zentrale Akteure im Stadtteil und Menschen aus der Nachbarschaft breitflächig ein. Zur Eröffnung kommen vor allem Freund*innen und Familienangehörige der Jugendlichen, eine breitere Besucherschaft kann nicht angezogen werden. Es werden Gespräche zu verschiedenen Wahrnehmungen des Stadtteils und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Jugendlichen im Quartier geführt. Nach der Eröffnung wird die Ausstellung an eine Nachbarschaftsinitiative verliehen, die darauf online aufmerksam geworden war und die Ausstellung bei einem Fest zeigt.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Der Stadtteilspaziergang bringt viele Gespräche zu Themen auf, um die sich die Jugendlichen Gedanken machen und die eine politische Ebene haben: der Mangel an überdachten Aufenthaltsmöglichkeiten, Partizipation im Stadtraum, Gewalt, Drogen und Migration im Stadtteil. Die Jugendlichen äußern zwar in Gesprächen ihre Ansichten und Sorgen, lassen diese Themen jedoch nicht von sich aus in die weitere Textarbeit einfließen. Das Projektteam greift daher gezielt die teils informellen Gespräche der Vortage auf und schafft es so, die politische Dimension der Gespräche aufzuzeigen und zu vertiefen.

Zu Beginn des Workshops wird der Stadtteilmanager von den Jugendlichen als Außenstehender wahrgenommen. Durch seine Teilnahme am Stadtspaziergang und sein Erscheinen bei der Ausstellungseröffnung bauen die Jugendlichen eine Beziehung auf und haben weniger Hemmnis, ihre Themen anzusprechen. Auch der Stadtteilmanager baut seine anfänglichen Bedenken hinsichtlich der Möglichkeiten von Jugendpartizipation ab. Beim Einladen von Stadtteilakteuren werden die Jugendlichen bei der Adressierung institutioneller Akteure unterstützt. So übernimmt die Projektleitung eine Art Übersetzungsfunktion und die Jugendlichen erlangen Kenntnisse zu Ansprechpartner*innen auf der lokalen Ebene. Hierauf kann in Zukunft aufgebaut werden, um politische Entscheidungsträger*innen zu adressieren und einzubinden.

Durch die Involvierung des Jugendclubleiters kann sehr schnell eine gute Bindung zu den teilnehmenden Jugendlichen aufgebaut werden. Durch seine Anwesenheit kommen die Jugendlichen schnell ins Erzählen. Auch nach der Durchführung des Workshops bekunden andere Jugendliche im Jugendclub ihr Interesse an der Teilnahme an dem Format. Das einmalige Durchführen des Workshops erschwert jedoch die Möglichkeit, sowohl neue Teilnehmende in die Gruppe zu integrieren als auch die Themen der Jugendlichen über die Ausstellungseröffnung hinaus aufzugreifen und gemeinsam zu bearbeiten.

Modellquartier:

Heckert-Gebiet, Chemnitz

Projektträger:

AGJF Sachsen e.V.

Projektlaufzeit:

01.09.2023 – 30.06.2024

Diskussion der Fotomotive
Stadtteilspaziergang
Perspektiven auf den Stadtteil Kappel
Fotoausstellung „Kiezcollagen“

Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.