Bildet den Schlaatzrat

Politische Grundbildung und Selbstermächtigung für eine Interessenvertretung

Im Potsdamer Stadtteil Schlaatz wird über ein aufsuchendes Losverfahren eine Interessenvertretung ins Leben gerufen. Sie wird mit politischen Bildungsangeboten befähigt, die Anliegen von Bewohner*innen gegenüber Entscheidungsträger*innen zu vertreten. Der inhaltliche Fokus liegt auf Beteiligungen im Rahmen der Umsetzung des Masterplans „Wir machen Schlaatz 2030“.

Projektidee und Ziele

Das Projekt hat den Aufbau einer arbeitsfähigen und möglichst repräsentativen Interessenvertretung für den Potsdamer Stadtteil Schlaatz zum Ziel. Die Mitglieder sollen dazu befähigt werden, die Interessen der diversen Bevölkerung des Schlaatzes gegenüber Entscheidungsträger*innen zu vertreten. Den Rahmen dafür bildet die Beteiligung der Bevölkerung im Rahmen der Umsetzung des Masterplans „Wir machen Schlaatz 2030“. Die Mitglieder sollen mit politischen Bildungsangeboten auf ihre Arbeit vorbereitet werden. Dazu gehört die Weiterbildung zu demokratischer Entscheidungsfindung und Stärkung von Kommunikationsfähigkeiten, die Entwicklung eines Selbstverständnisses als Vertreter*in der lokalen Bevölkerung sowie die Initiierung, Begleitung und Auswertung von ersten Verhandlungen mit Politik, Verwaltung und Planung.

Projektumsetzung

Das Projekt wird in drei Phasen umgesetzt. In den ersten Monaten steht die Aktivierung und Ansprache im Vordergrund, dann starten die Veranstal­tungen mit dem Schlaatzrat und nach den ersten Treffen geht es bereits ins Handeln.

Ansprache: Aufbau einer Kerngruppe und das aufsuchende Losverfahren

Um eine durchmischte Gruppe zu erreichen, verfolgt das Projekt zwei Arten der Aktivierung parallel. Erster Baustein ist die Aktivierung von bereits bekannten Interessierten über Werbung und persönliche Ansprache. So entsteht schnell eine Liste an Interessierten, die zu ersten Treffen eingeladen werden. Parallel dazu wird ein aufsuchendes Losverfahren durchgeführt. Erster Schritt ist ein Aufruf in Form eines postalischen Schreibens des Oberbürgermeisters an über 300 ausgeloste Schlaatzer*innen. Die Stichprobe wird nach den Kriterien Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit repräsentativ für den Schlaatz ausgelost. Das Schreiben wird online in fünf Sprachen zugänglich gemacht. Anschließend werden 30 ausgewählte Personen, die sich nicht zurückgemeldet haben, persönlich aufgesucht. Zum Ende der Ansprache gibt es 32 interessierte Personen, von denen 21 am Auftakttreffen teilnehmen. Die Hälfte der Teilnehmer*innen kommt aus der Kerngruppe, die andere Hälfte wurde über das aufsuchende Losverfahren erreicht.

Vorbereitung: Die Schlaatzrattreffen

Von Februar bis Juni finden sieben Schlaatzrattreffen mit verschiedenen Inhalten statt wie zum Beispiel:

  • Grundlegende Regeln der Zusammenarbeit und Selbstverständnis
  • Diskussion einer Geschäftsordnung
  • Offizielle Konstituierung mit Urkundenvergabe und Wahl von Sprecher*innen
  • Themenpriorisierung und Bedarfe
  • Herausarbeiten der politischen Dimension von Alltagsthemen im Stadtteil
  • Diskussion mit Vertretern der Verwaltung und der Wohnungswirtschaft über den Stadtentwicklungsprozess „Wir machen Schlaatz 2030“
  • Handlungsoptionen und Wirksamkeitsstrategie für verschiedene Themen im Zusammenhang mit dem Masterplan

Los geht’s: Die Arbeit des Schlaatzrates

Der Schlaatzrat nimmt nach der konstituierenden Sitzung, parallel zu den Schlaatzrattreffen, seine Arbeit auf. Ein Teil ist die Teilnahme an Gremiensitzungen, zum Beispiel vom Stadtteilrat, in dem alle Akteur*innen vertreten sind, die im Schlaatz arbeiten. Hier hat nun auch der Schlaatzrat eine Stimme. Auch in anderen Gremien sind die Sprecher*innen des Schlaatzrates präsent. Darüber hinaus wird ein Austausch mit der Interessenvertretung aus dem Stadtteil Drewitz angestoßen und durchgeführt. Dabei lernen die Mitglieder Erfahrungen aus der Vertretungsarbeit und Beteiligungserfolge aus Drewitz kennen.

Den Abschluss des Projektes bildet eine öffentliche Themenwerkstatt. Die Schlaatzratmitglieder stellen sich mit Themenwänden auf den zentralen Platz im Schlaatz und diskutieren darüber mit Bürger*innen. Ziel ist es, erarbeitete Positionen mit dem Stadtteil in Dialog zu bringen und diverse Perspektiven zu sammeln. Damit endet das PartQ-Projekt, aber der Schlaatzrat bleibt bestehen und wird sich weiterhin im Stadtteil einmischen.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Die Kombination von verschiedenen Anspracheformen kann als ein Garant für das Erreichen verschiedener Gruppen bewertet werden. Jedoch muss darauf geachtet werden, dass keine Unverhältnismäßigkeit entsteht. Durch die Bildung der Kerngruppe ist im Projekt ein Übergewicht im Schlaatzrat in Richtung älterer Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit entstanden. Durch das aufsuchende Losverfahren wurde die Gruppe diverser, bildet aber insgesamt nicht die Diversität im Stadtteil ab. Die gezielte Ansprache von Gruppen, die unterrepräsentiert sind, ist ratsam, aber mitunter sehr aufwändig. Hierfür ist es wichtig, ausreichend Zeit und Ressourcen einzuplanen sowie flexibel in der Nachsteuerung zu sein.

Das Projekt hat Gremienarbeit und konkrete Beteiligung mit politischen Bildungsformaten verbunden. Dabei kam die Reflexion und Auswertung von Terminen wie Gremiensitzungen oder der Dialogveranstaltung mit Wohnungswirtschaft und Verwaltung teilweise zu kurz. So ist zum Beispiel bei vielen Mitgliedern das Selbstverständnis, als Vertreter*in aller Bewohner*innen des Stadtteils zu fungieren, noch nicht verinnerlicht. Den Fokus auf die Reflexionsprozesse zu setzen, ist wichtig, um Lerneffekte politischer Bildung zu erreichen. Häufig steht das aber dem Wunsch der Teilnehmenden gegenüber, konkret zu handeln und sich weniger mit abstrakten Fragen auseinanderzusetzen. Es braucht positive Erfahrungen mit Reflexions- und Auswertungsformaten, um das Interesse daran zu stärken und damit politische Bildung in Beteiligungsformate einzubinden.

Im Projekt bestanden wenig Vorerfahrungen mit politischer Bildung. Die Hauptverantwortliche unterstützte und begleitete die Mitglieder kontinuierlich und fungierte als erste Ansprechperson, weniger als Bildnerin oder Teamerin. Um aufsuchende politische Bildung im Quartier erfolgreich durchzuführen, benötigt es eine Stärkung der Kompetenzen und Erfahrung der Projektleitung, insbesondere in Hinblick auf die Korrektivfunktion der politischen Bildung: Das heißt, in Einzelgesprächen und Gruppenformaten die richtigen Fragen zur Reflexion zu stellen als auch Einordnungen hinsichtlich demokratischer Grundsätze anzubieten. Alternativ können politische Bildner*innen sporadisch hinzugezogen werden. In die Bildungsveranstaltungen waren andere Kolleg*innen und externe Partner*innen eingebunden, sodass politische Bildungselemente gut eingebunden werden konnten.

Modellquartier:

Schlaatz, Potsdam

Projektträger:

kollektiv stadtsucht GbR

Projektlaufzeit:

01.09.2023 – 30.06.2024

Arbeit an Stellwänden, 2. Sitzung des Schlaatzrates
Ansprache für den Schlaatzrat
Arbeit zu Themen und Herausforderungen im Schlaatz
Gespräche mit Bewohner*innen auf der Themenwerkstatt

Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.