Politische Bildung durch interaktives Theater im Stadtteil
Vorhang auf für Tenever
Mit einem „Glücksrad“ und einem mobilen Kaffeestand werden die Bewohner*innen von Bremen Tenever zu Gesprächen über ihren Stadtteil eingeladen. Anhand der aufkommenden Themen werden drei Theaterszenen geschrieben, die im Format des Forumtheaters an unterschiedlichen Orten im Stadtteil aufgeführt werden. Das Publikum wird dabei eingeladen, konflikthafte Situationen gemeinsam zu verändern.
Die Ansprache und Gespräche auf der Straße werden maßgeblich durch den Kontext und die Art der Ansprache beeinflusst. Anfangs erschweren das kalte Wetter und das Format eines Fragebogens den Gesprächsfluss. Auch die Art der Aussagen hat einen Einfluss auf die Gespräche. Politisch explizitere Aussagen wie „Ich fühle mich in Tenever sicher“ fungieren als effektive Gesprächsanstöße, während die Aussage „Nachts gehe ich gerne spazieren“ keine Assoziation zu Sicherheitsfragen weckt. Durch kontinuierliche Anpassung der Aussagen und des Settings der Ansprache wird das Interesse der Passant*innen geweckt und niedrigschwellige politische Gespräche gefördert, was zu einer erfolgreichen Themensammlung führt. Auch offene Fragen regen zu persönlichen und kreativen Antworten an.
In der Ansprache ist die Projektgruppe immer wieder mit demokratie- und menschenfeindlichen Aussagen konfrontiert. Hier wird sich mehr Qualifikation, beispielsweise in Form eines „Ansprache-Coachings“ gewünscht, um einerseits Haltung zu zeigen, andererseits aber im Gespräch bleiben zu können. Hier braucht es Sensibilität und einen langen Atem. Die Projektgruppe entwickelt die Strategie, durch kontinuierliches Nachfragen pauschale Aussagen aufzubrechen, fühlt sich aber in der lehrenden Rolle unwohl.
In der Nachbesprechung der vorgeführten Szenen kommen viele Zuschauer*innen ins Erzählen über ihre eigene Situation und analysieren die dargestellten Szenen sehr treffend, beispielsweise in Bezug auf soziale und strukturelle Ungleichheit. Die Lösungsvorschläge verbleiben jedoch häufig auf der interindividuellen Ebene, da die Fragen an das Publikum in erster Linie auf Verhaltensänderungen der Einzelpersonen abzielen und kaum auf gesellschaftliche Ursachen der Konflikte. So sind die Verbesserungsvorschläge, die kommen, meist in Form von nachbarschaftlichem Engagement gedacht: Nachbarschaftsfeste, Seniorentreffs, Vermittlung zwischen Freunden. Das Darstellen institutioneller Akteure auf der Bühne und ein schrittweiser Aufbau der Fragen hin zur Reflexion struktureller Zusammenhänge könnten es erleichtern, mit dem Publikum niedrigschwellig über Lösungsansätze auf gemeinschaftlicher und politischer Ebene nachzudenken und so politische Bildungsmomente stärken.
Modellquartier:
Tenever, Bremen
Projektträger:
Initiative zur sozialen Rehabilitation e.V.
Projektlaufzeit:
01.09.2023 – 30.06.2024
Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.
PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.