ChangeQ

Vom Reden zum Handeln: Gemeinsam aktiv im Stadtteil

Durch eine Vielzahl von Anspracheaktionen werden im Chemnitzer Fritz-Heckert-Gebiet zwei Jugendgruppen gebildet. Im Jugendclub Compact findet ein mehrmonatiger Partizipationsprozess im Rahmen der Umgestaltung eines „Traumraumes“ statt. In der Oberschule werden nachmittägliche Workshops zu den Interessen der Schüler*innen gegeben, einer zu Armut und Inflation, ein weiterer zu Rassismus.

Projektidee und Ziele

Anhand von Gesprächen über alltagsnahe Probleme und Bedürfnisse sollen die Bewohner*innen des Fritz-Heckert-Gebietes Lösungsansätze entwickeln und gemeinsam in die Tat umsetzen bzw. an geeignete Stellen adressieren. In Veranstaltungen werden Perspektiven zusammengebracht und in Diskussionsformaten demokratisch ausgehandelt. So soll eine Nähe zur Politik und der Glaube an die eigenen Einflussmöglichkeiten gestärkt werden.

Projektumsetzung

In den ersten Monaten stehen die Ansprache und der Beziehungsaufbau mit der jugendlichen Zielgruppe im Fokus der Aktivitäten. Daraus wird in steter Abstimmung mit der Zielgruppe ein Raumgestaltungsprozess und zwei Workshopformate konzipiert. Ab Anfang April geht es in die Umsetzung.

Mitmach(t)wände

Große, optisch auffällige „Mitmach(t)wände“ werden an unterschiedlichen Orten im Stadtteil wiederholt aufgestellt, um anhand diverser Fragen in Gespräche zu Bedürfnissen und Problemen im Stadtteil und darüber hinaus zu kommen. Obwohl Erwachsene anfangs nicht explizit ausgeschlossen werden, bildet sich schnell der Fokus auf die Arbeit mit Jugendlichen an zwei Standorten, dem Jugendclub Compact und der Oberschule Am Flughafen heraus. Am Ende dieser wöchentlichen Aktionen werden die gesammelten Themen zusammengefasst und kategorisiert. Im Jugendclub wird anschließend eine Zielscheibe mit den meistgenannten Themen platziert, an der die Jugendlichen durch Abstimmung mit Klebepunkten über ihr favorisiertes Thema abstimmen können. In der Schule werden Abstimmflyer an die Klassensprecher*innen verteilt, welche sie in ihre Klassen geben. Nach wenig Rücklauf wird mit Unterstützung der Schulsozialarbeiterin auch persönlich in Klassen der Flyer vorgestellt und um Teilnahme geworben. Die Themen „Armut und Inflation“ sowie „Rassismus“ erhalten die meisten Stimmen und werden an jeweils zwei Nachmittagen durchgeführt. Im Jugendclub gewinnt das Thema „Raumgestaltung“ und es wird beschlossen, einen unbenutzten Raum des Jugendclubs demokratisch zu erschließen. Insgesamt werden im Rahmen der Entwicklung der Projekte 14 Planungstreffen durchgeführt.

Raumgestaltung

Von April bis Juni finden Einsätze für den „Traumraum“ statt. Die beiden rahmenden Veranstaltungen sind als Bildungsveranstaltungen mit Fokus auf demokratische Beteiligung und einer Vielzahl an Methoden konzipiert. Die Begleitung der Raumgestaltung zielt vor allem auf informelle politische Gespräche und die Unterstützung bei Interesse an Engagement ab.

  • Auftakttreffen: Konzipierung des eigenen Traumraums, Aushandlung in Kleingruppen und Plenum, Input zu Varianten demokratischer Entscheidungsfindung, Reflexion über Prozess und gesellschaftliche Bedeutung von Entscheidungsfindung und demokratischer Teilhabe, Beteiligung und Gerechtigkeit
  • Begleitung des Streicheinsatzes: informelle politische Gespräche, individuelle und Gruppenreflektion zu Partizipation, Macht, demokratische Entscheidungswege
  • Kontinuierliche Begleitung der Jugendlichen: individuelle Verweisberatung für politisches und soziales Engagement
  • Abschlussplenum und -sause: Reflexion über Herausforderungen im Prozess, Diskussionsfragen zu Entscheidungsfindungsprozess, Übertragung der Erfahrungen und Erkenntnisse des Prozesses auf gesellschaftliche und politisch-institutionelle Ebene und Zusammenhänge, Regelerarbeitung für Nutzung des Raumes und Beschluss darüber, Festhalten und „Unterzeichnen“ der Regeln im „Baum der Gemeinschaft“, Planung weiterführender Bildungsangebote, Feier

Schulworkshops

Im Mai und Juni finden in der Schule die beiden Workshops zu den von den Schüler*innen gewählten Themen statt. Anhand von Musikvideos, Filmausschnitten und interaktiven Methoden lernen die Schüler*innen die grundlegenden Konzepte, ihre Ursachen und Wirkungen kennen und beziehen sie sowohl auf ihre eigene Lebenswelt als auch auf die Gesamtgesellschaft. Zum Auftakt werden Umgangsformen und Regeln der Zusammenarbeit für die Workshopdauer festgelegt. Zum Abschluss wird der gemeinsame Lernprozess reflektiert. Auch hier kommt Interesse an weiteren Themen und Engagement auf und wird aufgegriffen.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Das Andocken an bestehenden Räumen, an denen sich die Zielgruppen bereits aufhalten und die Kooperation mit aufgeschlossenen Brückenpersonen, die diese Räume für politische Bildner*innen öffnen können, ist zentral für das Gelingen der Projektumsetzung und ermöglicht einen schnellen Beziehungsaufbau. Einrichtungen, in denen diese Offenheit der Brückenpersonen nicht gegeben ist, sollten vermieden werden, da die Voraussetzungen für einen aufsuchenden und bedarfsorientierten Prozess nicht gegeben sind. Hartnäckigkeit in der Ansprache zahlt sich aus. Auch wenn keine kontinuierliche Kerngruppe zu Stande kommt, konnte durch die kontinuierliche Anwesenheit und Ansprache von Personen vor Ort eine gute Beteiligung sichergestellt werden und Jugendliche motiviert werden, wiederholt teilzunehmen.

Die auch visuell ansprechende Ansprache hat großen Erfolg. Die Weiterentwicklung der Fragen von individuellen Bedarfen im Stadtteil über gesamtgesellschaftlich wahrgenommene Probleme hinzu Lösungsansätzen eröffnet Gespräche und ermöglicht eine bedarfsorientierte Konzeption des Bildungsangebotes. Hierbei kann allerdings die Phase der ersten Themenfindung verkürzt werden zugunsten eines früheren Beziehungsaufbaus. Eine Orientierung an den Jugendlichen benötigt eine hohe Flexibilität in der Konzeption der Treffen und ein Anpassen an die Themen, welche von den Teilnehmenden angesprochen werden oder in der Gruppendynamik aufkommen. Hier sind Kompetenzen der Sozialen Arbeit wie der politischen Bildung gefragt, da im Rahmen der Arbeit im Jugendclub nicht zwischen sozialen und politischen Anliegen getrennt werden kann. Das Projekt bindet die Mobile Jugendarbeit mit ein, welche bestimmte Themen übernehmen kann.

In den Projektformaten werden verschiedene Positionen diskutiert und praktische Handlungsoptionen erarbeitet. Dieser Prozess verbleibt aber auf der Mikroebene und kann nur ansatzweise in der Diskussion auf eine gesellschaftliche Ebene gehoben werden. Die Ansprache geeigneter Akteur*innen oder Entscheidungsträger*innen bleibt aus. Viele politische Themen kommen erst im Laufe des Raumgestaltungsprozesses auf und könnten mit mehr Zeit besser bearbeitet werden. So kann ein Konflikt mit einer Gruppe migrantischer Jugendlicher nur sehr kurz angesprochen werden, das am Ende des Projektes geäußerte Interesse an mehr Informationen zu Rassismus und Migration aber nicht mehr im Laufe der Projektlaufzeit eingebunden werden.

Modellquartier:

Heckert-Gebiet, Chemnitz

Projektträger:

Comparti, AGIUA e.V.

Projektlaufzeit:

01.09.2023 – 30.06.2024

Wandgestaltung im „Traumraum“
Mitmach(t)wand zu Wunschprojekten
„Dartscheibe“ zur Bepunktung der Themen
Der „Regelbaum“ mit den beschlossenen Regeln für den Raum

Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.