Freiraum-Baustelle Emsviertel

Proaktive Partizipation in der Freiraumgestaltung des Emsviertels

Im Projekt wird ein proaktiver Beteiligungsprozess im Rahmen einer von der Stadt ausgeschriebenen Freiraumplanung initiiert, indem Bewohner:innen und Planer:innen an einen Tisch gebracht werden.

Projektidee und Ziele

Ausgangspunkt des Projektes „Freiraum-Baustelle Emsviertel“ ist die Ausschreibung der Freiraumplanung des Emsviertels, einem Quartier in der Weststadt, durch die Stadt Braunschweig. Im Projekt soll von Beginn an eine Beteiligung von Bewohner:innen an der Neugestaltung der Freiflächen im Emsviertel erwirkt werden, sodass diese den Planungsprozess proaktiv und partizipativ mitgestalten. Es entsteht ein attraktives Partizipationsvorhaben, das über die üblichen „Standard-Beteiligungen“ hinausgeht.

Eine Gruppe von Bewohner:innen und das beauftragte Planungsbüro sollen gemeinsam auf Augenhöhe Freiraumpläne entwickeln mit dem Ziel, den Bedürfnissen und Interessen der diversen Bewohner:innen des Emsviertels gerecht zu werden. In verschiedenen Formaten wie Austauschtreffen, Begehungen und Abstimmungen sollen Vorschläge z.B. für die Gestaltung des zentralen Platzes im Viertel oder der Verkehrssicherheit erarbeitet und diskutiert werden. Die Beteiligten sollen sich mit ihrer Alltagsexpertise in einen demokratischen Entscheidungsprozess einbringen, Fachwissen über Planungsvorhaben erlernen und durch ihre Mitbestimmung erleben, dass ihre Stimme und ihr Engagement etwas bewirken.

Projektumsetzung

In einer ersten Phase werden Nachbar:innen über verschiedene Wege für eine Beteiligung im Planungsprozess aktiviert. Es wird eine aktivierende Befragung – die „Freitagsrunde“ – durchgeführt. Das Projektteam zieht durchs Viertel, spricht Bewohner:innen an und versucht sie für den Planungsprozess zu gewinnen. Anhand eines Fragebogens werden die Bewohner:innen erst allgemein zu ihrer Meinung zum Viertel befragt und schließlich zu den anstehenden Treffen und Veranstaltungen eingeladen. Ein weiterer Weg der Ansprache ist die Präsenz auf Veranstaltungen und die Durchführung von Aktionen im öffentlichen Raum: Es werden u.a. eine Aktion gegen Partnergewalt gemeinsam mit einem anderen Stadtteilprojekt, eine Osteraktion, ein Pflanzentauschmarkt und eine Diskussion mit Politiker:innen veranstaltet, an Festen teilgenommen und Initiativen von Bewohner:innen unterstützt. Zu Letzteren gehören z.B. regelmäßige Quartiersbegehungen mit Senior:innen („3000 Schritte für die Gesundheit“) sowie die Einweihung einer Gedenkstätte für einen verstorbenen Schriftsteller und Musiker, der im Stadtteil sehr engagiert war. Bei diesen Aktionen werden die Menschen immer auch auf die Freiraumplanung hingewiesen und es werden Flyer verteilt. Trotz aller Bemühungen stellt sich die Aktivierung der Bewohner:innen für und die mittelfristige Bindung an die Planungsgruppe als herausfordernd dar. Dennoch gelingt es, je nach Thema zwischen 10 und 20 Nachbar:innen für die Planungstreffen zu gewinnen.

Als zentraler Planungsort wird eine Wohnung im Planungsgebiet akquiriert, die auch für andere Initiativen und Projekte im Stadtteil nutzbar ist und gemeinsam von allen verwaltet wird. Die Nachbar:innen entscheiden in einem mehrstufigen Prozess über den Namen der Wohnung „Gemeinsam bunt“ und legen Regeln für die Nutzung der Wohnung fest. Hier treffen sich die „Planungsrunden“ (gemeinsame Treffen der Nachbar:innen und Planer:innen) ab der zweiten Projekthälfte regelmäßig und planen vorwiegend die Gestaltung des zentralen Platzes im Viertel. Zusätzlich zu diesen Treffen findet eine Zukunftswerkstatt und ein Abschlussfest auf ebenjenem Platz statt, wodurch Aufmerksamkeit auf den Prozess gelenkt werden kann. Eine Jugendbeteiligung zu einem Bolzplatz bezieht insbesondere Kinder und Jugendliche mit ein. Auch nach Projektende geht der Planungsprozess mit den Beteiligten weiter.

Erkenntnisse für die politische Bildung

Im Projekt wird viel mit bestehenden Gruppen an Bewohner:innen, wie dem internationalen Männertreff, gearbeitet. In diesen Fällen muss berücksichtigt werden, dass es teilweise eine Barriere für andere darstellt, sich in feste Gruppen zu begeben. Im Projekt werden alle Gruppen an Bewohner:innen gleichzeitig angesprochen und zusammengeführt. Dies führt bislang dazu, dass sich überwiegend bereits engagierte Nachbar:innen in die Freiraumplanung einbringen. Um eine Repräsentativität im Beteiligungsprozess zu erreichen, sollten unterrepräsentierte Gruppen explizit angesprochen und eingebunden werden. Hierfür sollten ggf. auch eigene Formate entwickelt und angeboten werden.

Im Projekt werden vielfältige Aktionen, Veranstaltungen und Initiativen mit unterschiedlichen Themen durchgeführt und unterstützt. Dabei fällt es schwer, all diese Aktivitäten in die Freiraumplanung zu überführen und diese als Kernanliegen im Blick zu behalten. Eine Nutzung vielfältiger Aktivierungswege ist wünschenswert und birgt das Potenzial Menschen mit ihren diversen Interessen zu erreichen. Gleichzeitig sollte aber konsequent ein Zusammenhang zum Kernanliegen hergestellt werden.

Der konkrete Bezug zu den Freiflächen im Viertel bietet die Möglichkeit für die Beteiligten an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, ihre verschiedenen Sichtweisen einzubringen und Entscheidungen zu finden. Insofern bieten bestehende lokale Beteiligungsvorhaben eine hervorragende Möglichkeit um demokratische Aushandlung und die Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven zu erleben. Entscheidend dabei ist, dass die unterschiedliche Position und Sprache der Planer:innen und Bewohner:innen auf eine demokratische Aushandlung hin moderiert wird. Die aufsuchende politische Bildung nimmt hier eine Übersetzungsfunktion ein.

Im Projekt werden Anreize genutzt, um Menschen auf den Beteiligungsprozess aufmerksam zu machen. Die eingerichtete Wohnung als Planungsstation sowie das Angebot von Essen, Trinken und Unterhaltung sind für viele Bewohner:innen interessant und führen zu ersten Gesprächen über die Freiraumplanung.

Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit können über Aktionen, Feste und andere Veranstaltungen erreicht werden. So können auch spontane einzelne Beteiligungen erreicht und neue Mitstreiter:innen aktiviert werden. Neben wirksamen Einzelaktionen bieten sich auch regelmäßige Angebote im öffentlichen, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort an, um kontinuierlich für Menschen erreichbar zu sein.

Modellquartier:

Weststadt, Braunschweig

Projektträger:

Stadtteilentwicklung Weststadt e.V.

Projektlaufzeit:

01.01.2022 – 30.09.2022

Planungsrunde in der Quartierswohnung
Aktion „139 Kerzen“ gegen Partnergewalt
Osteraktion
Viertelbegehung der Initiative „3000 Schritte für die Gesundheit“

Die Praxisprojekte werden im Rahmen des Modellprojekts PartQ – Aufsuchende politische Bildung im Quartier umgesetzt.

PartQ wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.